Corona-Prämie jetzt auch für Gesundheits- und Krankenpfleger?

Der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben am dritten September beschlossen, dass 100 Millionen Euro für die Zahlung von Prämien von bis zu 1.000 Euro für besonders belastete Pflegekräfte mit einer hohen Versorgung von COVID-19-Patienten bereitgestellt werden (1). Klingt erstmal gut, oder?

Geht man davon aus, dass die Höchstprämie von 1.000€ pro stark belastende Pflegekraft berechnet wird, erkennt man schnell, dass bei vollem Bezug gerade mal 100.000 der Pflegenden eine Prämie aufgrund der Budgetgrenze von 100 Millionen Euro bekommen könnten. Laut der Krankenhausstatistik sind 328.519 Pflegekräfte im Jahr 2017 in den Krankenhäusern der Bundesrepublik Deutschland tätig (2). Das heißt ca. 70% der Gesundheits- und Krankenpfleger können bereits bei der Zahlung nicht berücksichtigt werden, wenn immer die Höchstprämie von 1.000€ ausgezahlt werden würde.
 
Laut Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sei so der Weg „frei gemacht worden“ eine Anerkennungsprämie für die hochbelastende Pflege zu vergeben (3). Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, zeigt einen Ausdruck von Dankbarkeit:
 
„Wir sind dankbar für das große Engagement der Pflegerinnen und Pfleger bei der Versorgung von Corona-Patienten.“ (3).
 
Eine Dankbarkeit, die bei voller Auszahlung gerade mal auf 30% aller Pflegenden im Krankenhaus zutreffen könnte. Welche Pflegekräfte in den Krankenhäusern die Prämie überhaupt erhalten werden und auch nach welchen Kriterien eine Zuteilung erfolgt, ist schwierig zu beantworten. Denn nach der Definition für den Erhalt steht die Prämie nur den Pflegekräften zu, die durch Covid-19-Patienten stark belastet waren und/oder sind. Aber was genau heißt das? Die Prämie erhalten diejenigen Krankenhausträger, die eine Mindestanzahl von Covid-19-Erkrankten aufweisen. Demnach obliegt die Aufteilung der Prämie bei den Trägern in Verbindung mit der Mitarbeitervertretung. Dies wiederum bedeutet, dass die gewählte Selbstverwaltung der Belegschaft innerhalb eines Trägers nun entscheiden muss welcher Mitarbeiter die Prämie in welcher Höhe erhält: Nach welchen Kriterien wird diese Entscheidung getroffen? Ein weiterer Nachteil ist ebenso, dass durch diese Handlungsweise die Pflegenden im Krankenhaus unterschiedlich hohe Prämien trotz gleicher Anzahl von behandelten Covid-19-Patienten erhalten können. Des Weiteren ist es nur in begründeten Ausnahmefälle möglich, dass die Prämie über die Zugehörigkeit einzelner Funktionsbereiche wie Notaufnahme bewilligt werden kann (3).
 
Mitarbeiter in der Zeitarbeit Pflege können dadurch auch nicht berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob sie auf einer Covid-19-Station eingesetzt werden oder eingesetzt worden sind.
Aus den Fehlern der Vergangenheit hat man offensichtlich nicht gelernt: Während zu Beginn des Jahres die am meist betroffene Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpflege von der versprochenen Corona-Pflege-Prämie ausgeschlossen wurde, ist durch die entsprechende Wiedergutmachung eine weitere Ungleichbehandlung vorprogrammiert. Die Tatsache, dass diese Prämie aufgrund der bereits genannten Budgetierung von 100 Millionen Euro nur für einen geringen Teil an Gesundheits- und Krankenpfleger überhaupt in Frage kommen kann und, dass es noch weitere Abstriche durch die Mindestanzahl an Covid-19-Patienten sowie die Regulierung der Prämie durch den Krankenhausträger gemacht werden, ist für die Pflege bzw. Pflegenden in den Krankenhäusern stark entwürdigend und stellt die Haltung gegenüber der Pflege deutlich dar! Das ist keine Anerkennung und auch keine gerechtfertigte Dankbarkeit – es zeigt mit der Art und Weise das komplette Gegenteil.
 
 
Stellen wir das ganze einem Beispiel dar:
Eine Pflegekraft betreut zum Beispiel zehn Patienten mit Covid-19. Die an Covid-19-Erkrankten zeigen einen milden bis symptomlosen Krankheitsverlauf. Abgesehen von den gängigen Isolationsmaßnahmen, wie auch bei anderen Infektionskrankheiten, besteht dort grundsätzlich kein Mehraufwand. Natürlich gab es weitere Herausforderungen wie mangelndes Schutzmaterial, welche Ängste vor einer Infizierung auslösen konnten - nicht nur vor Covid-19, auch vor anderen Infektionskrankheiten wie z.B. Tuberkulose. Obwohl dort kein ersichtlich erkennbarer Mehraufwand als bei anderen Infektionskrankheiten durch den milden Krankheitsverlauf ersichtlich ist, erhält diese Pflegekraft aufgrund der erhöhten Covid-19-Patientenanzahl die Prämie. Eine Pflegekraft, die beispielsweise nur einen Covid-19-Patienten, dafür aber mit einem sehr schweren Krankheitsverlauf, betreut, kann dadurch einen viel höheren Mehraufwand sowie Belastung aufweisen. Dieser Pflegekraft würde allerdings keine Prämie zustehen.
 
Abschließend bleibt aber noch eine Frage unbeantwortet:
Warum wird überhaupt von einer Covid-19-Versorgung und einer „normalen“ Versorgung unterschieden? Auch in Nicht-Corona-Zeiten stehen Pflegekräfte einem nicht zu unterschätzenden Gesundheitsrisiko z.B. durch potenziellen Infektionen an Tuberkulose oder HIV gegenüber. Sollten Dankbarkeit und Anerkennung in dieser Berufsgruppe nicht ohnehin gegeben sein? Und wenn ja, warum sind sie es nicht?
 
 
 
 
Literaturverzeichnis:
(1) Bundesministerium für Gesundheit (03.09.2020): „Pflegebonus“ online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegebonus.html(20.10.2020)
(2) Statistisches Bundesamt (08.08.2018): „Pressemitteilung Nr. 300 vom 8. August 2018“ online: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/08/PD18_292_231.html#:~:text=300%20vom%208.,mehr%20als%20im%20Jahr%20zuvor(20.10.2020)
(3) Deutsche Krankenhausgesellschaft (03.09.2020): „GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG – Corona-Prämie für Pflegekräfte im Krankenhaus komm“ online: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/corona-praemie-fuer-pflegekraefte-im-krankenhaus-kommt/(20.10.2020)