Die Gender-Pay-Gap und die Gender-Care-Gap sind zwei allseits bekannte Begriffe. Erstere beschreibt den gravierenden Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern. (1) Männer verdienen heutzutage fast 18% mehr. (6) Letzterer die Tatsache, dass sich deutlich mehr Frauen um die Betreuung und Verpflegung von Kindern und Angehörigen sowie um den Haushalt kümmern. (1) Die Gründe für den geschlechterspezifischen Unterschied und dessen Auswirkungen werden jetzt in einer neuen Studie von Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik, näher beleuchtet. Er hat zusammen mit Maximilian Blömer, Johanna Garnitz, Laura Gärtner und Helene Strandt die Studie „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ veröffentlicht. (2)
Ein zentraler Aspekt, der in der Studie behandelt wurde, ist die Veränderung in der tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeit seit 1985. (2) Dabei ist ein klarer Trend zu erkennen. Im Jahr 2007 wollten Männer Berichten zufolge im Durchschnitt noch 39 Stunden arbeiten. Mittlerweile liegt die Wunscharbeitszeit mit rund 36 Stunden deutlich darunter. Bei Frauen sieht das ähnlich aus, wenn auch nicht ganz so deutlich. 2011 lag die Wunscharbeitszeit bei 31 Stunden, heutzutage tendieren Frauen durchschnittlich zu einer 29,5-Stunden Woche. (3) Insgesamt lässt sich dennoch ein Trend erkennen, der erschreckt. 50 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen arbeiten mehr, als sie wollen. (4) Zusätzlich fallen auch Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten auf. Arbeitnehmer im Full-Time-Job wollen ihre Arbeitszeit im Durchschnitt um rund sechs Stunden verringern. Im Gegensatz dazu gibt es bei Teilzeitbeschäftigten keine auffälligen Unterschiede zwischen der gewünschten und der tatsächlichen Arbeitszeit. Auch wenn diese Durchschnittsbetrachtung der Bevölkerung eine klare Richtung vorgibt, gibt es durchaus Menschen, die diesem Bild nicht entsprechen. So bleibt der Anteil derjenigen, die mehr arbeiten möchte, unerkannt. 17% der Frauen gelten als unterbeschäftigt. Der Anteil liegt somit fast doppelt so hoch, wie bei den Männern, von denen nur 9% ihre Arbeitszeit erhöhen möchten. (1) Insgesamt kann man also durchaus sagen, dass Potential zur Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern besteht. Denn während mehrheitlich Männer ihre Arbeitszeiten verringern möchten, wünschen sich vergleichsweise mehr Frauen eine Arbeitszeitausweitung. (5)
Insbesondere Müttern fällt es schwer, ihren Wunscharbeitszeiten nachzukommen. Durch fehlende oder zu teure Kinderbetreuung sind diese leider immer noch stark von der Gender-Care-Gap betroffen. Auf die Arbeitswünsche von Vätern haben Kinder hingegen kaum einen Einfluss. (2)
"Wenn sich Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren ließen, würden viele Frauen auch mehr arbeiten. Was angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland sinnvoll wäre", so Andreas Peichl. (4)
Hierzu wurde vor acht Jahren der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige eingeführt. Doch laut veröffentlichten Studien des IW fehlen weiterhin rund 342.000 öffentlich geförderte Betreuungsplätze. Die bereits getätigten Milliardeninvestitionen reichen also bei weitem nicht aus. (1)
Daher gilt es weiterhin die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verbessern. Insbesondere eine ausreichende Anzahl an Betreuungsmöglichkeiten spielt hierbei einen zentralen Faktor. So kann man nicht nur der klassischen Rollenverteilungen entgegenwirken, sondern auch der Gender-Care-Gap. Nur Frauen, die in ihrer beruflichen Karriere nicht zurückstecken müssen, können ihrer Wunscharbeitszeit auch wirklich nachkommen. Und dies wirkt sich letztendlich auch positiv auf die Gender-Pay-Gap aus. (1)
Für tiefgehendes Interesse hier die ausführliche Studie: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-1
Janina Eileen Schwikardi – cand. B.A. Kommunikationsmanagement
Literaturverzeichnis
(1): Specht, Frank (30.03.2021): Bei Arbeitszeitwünschen klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/studie-bei-arbeitszeitwuenschen-klaffen-wunsch-und-wirklichkeit-weit-auseinander/27051358.html?ticket=ST-5054053-e60JkSpVH1weLntXTpG3-ap2 (Abruf: 21.04.2021)
(2): Spiegel.de (30.03.2021): Frauen könnten mehr, Männer weniger arbeiten. Unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitszeit-bertelsmann-studie-haelt-angleichung-von-frauen-und-maennern-fuer-moeglich-a-fe2a18fc-4c2b-486d-b74b-e4be22c384f7 (Abruf: 21.04.2021)
(3): n-tv.de (27.03.2021): Deutsche wollen immer weniger arbeiten. Unter: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-wollen-immer-weniger-arbeiten-article22455814.html (Abruf: 21.04.2021)
(4): WDR (30.03.2021): Studie: Menschen möchten weniger arbeiten und mehr Freizeit. Unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/studie-deutsche-wollen-weniger-arbeiten-100.html (Abruf: 21.04.2021)
(5): Bertelsmann Stiftung (2021): Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-1 (Abruf: 21.04.2021)
(6): Rehbock, Larissa (26.03.2021): So hoch ist das Durchschnittsgehalt in Deutschland. Unter: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/durchschnittseinkommen-so-hoch-ist-das-durchschnittsgehalt-in-deutschland/26628226.html (Abruf: 21.04.2021)
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