In Zeiten, in denen die Bazooka das bevorzugte Mittel der Wahl darstellt, sind die Kollateralschäden eben in Kauf zu nehmen, und unter dem Deckmantel der Coronakrise lässt sich eben auch mal en passant ein EU-rechtlich sehr bedenkliches Überlassungsverbot in die Fleischbranche gesetzlich durchwinken.
Bei einem WERKVERTRAG schuldet der Dienstleister die Erbringung eines GEWERKES oder eines DIENSTES. Wie er dieses erbringt, zu welchen Konditionen seine Mitarbeiter bezahlt werden, die Weisung an die Mitarbeiter, etc....all dies obliegt bei einem Werkvertrag zwingend dem Werkvertragsdienstleister. Die Bezahlung der Mitarbeiter ist frei regelbar durch den Werkvertragsdienstleister, es gibt keinerlei tarifvertragliche Bindung, es gibt keine allgemeinverbindlichen Mindestlohnvereinbarungen, das Arbeitgeberrisiko tragen die meist ausländischen Werkvertragsdienstleister, deutsches Arbeitsrecht ist nahezu ausnahmslos nicht anwendbar.
ZEITARBEIT oder Arbeitnehmerüberlassung findet in Deutschland ausschließlich auf Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes statt, auch ausländische Zeitarbeitsfirmen benötigen in Deutschland einen Sitz und eine deutsche Lizenz zur AÜ, ausgestellt von der Bundesagentur für Arbeit. Alle Mitarbeiter sind (unabhängig von ihrem Wohnort) dem deutschen Arbeitsrecht unterstellt, sind weisungsgebunden bei der Zeitarbeitsfirma angestellt, und werden auf Basis des für allgemeinverbindlich erklärten Zeitarbeitstarifes an Kunden überlassen. Die Zeitarbeitsbranche hat eine Tarifbindung von nahezu 100%, was in keiner anderen Branche annähernd der Fall ist.
Zeitarbeit nun in Schlachthöfen publikumswirksam zu verbieten, ist reiner Populismus, weil - die Zeitarbeit bisher in den Schlachthöfen kaum eine Rolle gespielt hat. In dem durch unser aller Fleischkonsumverhalten verursachten Preiskampf ist Zeitarbeitspersonal schlichtweg zu teuer, um es flächendeckend in der deutschen Schlachtindustrie einzusetzen. Der Mindestlohn der Fleischindustrie liegt auf Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes bei 9,35 €, und unabhängig davon wird der Mindestlohn innerhalb der Werkvertragsbeschäftigung oft genug mit Akkordlohn/Verpflegung/Unterkunft/etc. widerrechtlich und zu Lasten der Mitarbeiter verrechnet. Der geringste Verdienst der Entgeltstufe 1 der Zeitarbeit liegt bei 10,15 € zzgl. Schicht- und Überstundenzulagen.
Schon bei der durch die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) initiierten Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (Verschärfung der Regeln für Zeitarbeit seit 01.04.17) sollten Werkvertragskonstrukte erschwert werden und die Zeitarbeit wurde dabei massiv (und bewusst) gleich mit eingeschränkt. Seitdem erfreuen sich die Werkvertragsmodelle mangels Kontrollen weiterhin großer Beliebtheit, während die Zeitarbeit mit Ihren Kundenbetrieben extrem unter dem administrativen Aufwand der Reform ächzt. Oder haben Sie seit 01.04.17 von großen Werkverträgen gehört, die durch eine Kontrolle des zuständigen Hauptzollamtes wegen Gesetzeswidrigkeit beendet wurden? Im Arbeitsministerium wird nach dem Motto "spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder" lieber die Zeitarbeit in Misskredit gebracht, in dem sie scheinbar mitschuldig gleich mal gesetzlich mit verboten wird. Der Öffentlichkeit und Ihnen als unserem Kunden wird damit suggeriert, dass "ja was dran sein muss", dass die Zeitarbeit Mitschuld an den massiven Mängeln der Werkvertragseinsätze hat.
Die richtige Vorgehensweise wäre gewesen, den Schlachthöfen die Option zu geben, gerade über inländische Zeitarbeitsfirmen Personal einzusetzen. In keiner anderen Branche herrscht flächendeckend eine so große Tarifbindung, die Aufsichtsbehörden kontrollieren die Zeitarbeitsbranche regelmäßig, und auch die Arbeitssicherheit ist in unserer Branche mit einem deutlich höheren Stellenwert angesiedelt. Da sich der Fleischkonsum und die Preiskämpfe der Discounter nicht verändern werden, bleibt nach dem Verbot den Schlachthöfen auch in Ermangelung einsatzbereiter Arbeitskräfte für diese schwere anstrengende Arbeit nur noch die Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland. Spannend bleibt, mit welchen Berufsverboten wir zu rechnen haben, wenn dann hier in Deutschland vermehrt Fleisch auf dem Markt ist, dessen Tiere unter osteuropäischen Hygienevorschriften geschlachtet wurden.....vielleicht mal ein Berufsverbot im Arbeitsministerium.
Dazu auch : "Gegen Zahnschmerzen helfen ja auch nicht neue Schuhe". Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer Bundesvorstand IGZ, https://www.ig-zeitarbeit.de/presse/artikel/schlachthoefe-verbot-der-zeitarbeit-keine-loesung